Der HirschTattoo:
FlügelGenüsslich zupfte er getrocknetes Blut aus dem felligen Saum seiner gespaltenen Hufe.
Er gluckste und begutachtete aus dem Augenwinkel zufrieden sein Werk, wie ein Künstler, der sich vergewissern wollte, dass seine Kunst nicht davonrennen würde.
Blut war es auch, was den Boden um ihn herum bedeckte. Selbst der Mondschein vermochte es nicht die Lichtung in Helligkeit zu tauchen. Zu dunkel, war es was geschehen war. Und dunkle, vor Freude aufblitzende Augen waren es, die sich an den Kadavern erfreuten, welche sich um den Satyrn herum türmten wie eine Spielzeugarmee.
Er schritt von einem zum andern, gleich einem Offizier der seine Soldaten mit Stolz begutachtete.
Es war alles was seine Seele erfreute, Leid, siechendes Leid bishin zum erlösenden Tod und selbst dieser war seines Erachtens nach durchaus von vielen Möglichkeiten geprägt.
Sachte streifte seine Klaue im vorbeigehen den toten Körper eines Rehs und hielt im nächsten Moment inne.
Im Gebüsch zu seiner rechten raschelte es leise. Er schnüffelte hörbar und brummte zufrieden.
Sein erfreutes Lächeln erstarb, sein vernarbter muskulöser Körper spannte sich an. Flink huschten die dunklen Augen in den Augenhöhlen herum und suchten die Gegend ab.
Stille erfüllte den Wald. Sein Blick fixierte blitzend den Busch, ehe er mit einem Satz und ausgebreiteten Klauen in dessen Richtung Sprang.
Mit einem grässlichen Freudenschrei packte der Satyr ein Rehkitz am Hals und riss es aus seinem Versteck.
Triumphierend hielt er es hoch und begutachtete seine hilflose Beute, die ihm wohl beinahe vor lauter Feierlichkeiten entgangen war.
Sein heftiges Gelächter wurde nur leise von den kläglichen Hilferufen des Kitzes untermalt. Zu Fest war sein Griff und zu groß seine Euphorie über die nächsten Stunden die ihm nun bevorstünden.
Lange sah er dem Kleinen grinsend zu, wie es sich wand und schrie. Er drehte sich zu dem Rest der kleinen Herde um und hielt das Kitz wie eine Trophäe erhoben über das Blutbad. Schallend lachend hob er beschwichtigend eine Klaue vor die Augen des Tierchens und ließ sie langsam über die Stirn wandern bis sich kleine Flüsse aus Blut über den bereits von Angst erfüllten Augen bildeten.
"Beinahe.... hätte ich geglaubt... es könnte nicht besser werden...." zischte er amüsiert und zog quälend langsam an einem der dürren Beine.
Klägliche Laute entsprangen der sich im Griff windenden Kehle, verzweifelt nach der bereits toten Mutter schreiend, bis es knackte. Und wieder knackte.
Hilflos schwieg der Wald, um den grässlichen Schauspiel weniger als einen Platz zu geben. Selbst das Licht des Mondes zog sich zurück, einzig die Dunkelheit untermalte das Spektakel des Satyrn.
Mit einer schwungvollen Bewegung seiner Klaue schleuderte er das Kitz zu Boden, welches sich verzweifelt wand und versuchte kriechend zu fliehen.
Die gebrochenen Beine hingen schlaff am kleinen Leib, der blutüberströmte Kopf ruckte hin und her, erblickte die toten Augen der Artgenossen und erstarrte vor Furcht.
Kichernd tänzelte der Dämon vor dem Kitz, schwang sich dann in die Hocke und betrachtete das Schauspiel lange grinsend, bis die Kräfte allmählich aus dem kleinen Körper entschwanden und es röchelnd da lag.
"Sooooo schwach....erbärmliche Kreatur...." eine Klaue stieß den kleinen Kopf an und zuckte entzückt zurück als dieser der Bewegung verzögert auswich.
Der Satyr legte den gehörnten Kopf schief und schenkte dem Kitz einen letzten kecken Blick als er innehielt und sich ruckartig umsah.
Er war nicht mehr allein, er spürte es. Seine geliebte Dunkelheit wurde gestört. Seine Feierlichkeit wurde unterbrochen, er wusste nur noch nicht woher.
Sein massiver Körper richtete sich auf, die Rute schwang unruhig umher, wie die einer Katze, die sich in die Enge gedrängt fühlte.
Haupt und Körper drehten sich nun, die Lichtung absuchend. Ein dumpfes Knacken im nahen Unterholz ließ ihn herumfahren, doch er sah nichts.
"FLUCH UND GALLE! MÖCHTEST DU MITSPIELEN? LOS ZEIG DICH! DIE DUNKELHEIT VERBIRGT DICH NICHT EWIG!"
Stille erfüllte die Lichtung, einzig von einem leisen röcheln und malmenden Kiefern eines euphorisch werdenden Satyrs erfüllt.
Von Pelz gezierte Muskeln pumpten sich auf, der verdorbene Nachtelf hob die dreckigen Klauen und schwenkte sie herausfordernd in die Dunkelheit. Zischend und fauchend suchte er vergeblich nach seinem Beobachter, das Junge längst vergessend.
Ein weiteres Knacken, der Satyr wirbelte herum und fixierte eine größere Esche.
"ICH SEHE DICH! und falls nicht.... GLEICH HABE ICH DICH!!!" - Lachte er heiser und verstummte für einen Moment, als hinter jener Esche ein gewaltiger weißer Hirsch langsam hervostapfte.
Das prächtige Geweih einer Krone gleich fixierte zunächst den Satyrn und ließ den damit verbundenen Blick dann über die von Tod und Leid erfüllte Lichtung schweifen.
Gehässiges Lachen erfüllte die Nacht, als der Satyr einladend in die Richtung des Hirsches gestikulierte, dieser aber dem gehörnten Dämon dabei keine Beachtung schenkte.
Vielmehr ließ der Hirsch die hellen Augen über die toten Artgenossen wandern, langsam und ergeben senkte sich der stolze Kopf, von Kadaver zu Kadaver bis die alten Augen auf dem geschändeten Kitz inne hielten.
Das schadenfrohe Gezeter des Dämons nahm direkt wieder Fahrt auf, als dieser bemerkte, dass seine Kunst Aufmerksamkeit fand. "Gefällt dir nicht was du siehst, häää? Tja. Muss es auch nicht, es wird mir gefallen, dich zu meiner Krönung des heutigen Ab-.." Der Kopf des Hirsches schwenkte langsam in die Blickrichtung des krakeelenden Satyrn. Dieser hielt inne, starrte den Hirsch skeptisch an, bäumte sich auf und bleckte lächelnd die gelblichen Zähne.
Der Hirsch aber senkte zunächst den Kopf, als würde er sich geschlagen geben und schwang den weißen Leib in die Richtung des Satyrn, beinahe so als würde er sich direkt wieder aus dem Staub machen, zumindest in den Augen des Dämons.
"Lust auf ein Tänzchen?" Zischte es zwischen den gelben Zähnen hervor und im selben Moment stieß der Hirsch in einem Galopp aus dem Schatten der Esche, das Geweih geneigt, wie unzählige Spieße, die sich auf die Brust des Satyrs richteten.
Jenes Lächeln erstarb und zu spät duckte sich der fellige Leib des Dämons. Ein dumpfer Aufprall, schleuderte den ihn einige Meter durch die Luft, bis er, gefolgt von knackenden Geräuschen auf einem Kadaver landete.
Stöhnend richtete sich der Satyr auf und fasste sich an die Brust. Er tastete ein Stück des Geweihs ab, dass ihm aus der Schulter ragte, knurrte, riss es heraus und starrte auf das verderbte Blut.
"So hab ichs gern... wenn sie sich wehren......" er taumelte, warf das Stück weg und stürmte mit erhobenen Klauen auf den Hirsch zu.
Kreischend versuchte er ihn am Geweih zu packen, doch dieser hob den Kopf, stieß den Satyrn mit wirbelnden Hufen abermals zu Boden und drückte ihn mit der geballten Kraft des weißen Leibes ins Moos.
Flüche spuckend und keifend wand sich der Satyr unter der Last des des Bullen, Strampelte mit gespaltenen Hufen vergeblich in dessen Bauch.
Dumpfe Schläge malträtierten als Antwort den dämonischen Leib, mit jedem Hieb, lachte und schrie der Satyr zugleich.
Das Geweih schwang dabei wie ein Morgenstern durch die Luft und zerfetzte die Fratze des Gehörnten.
"EEEEELENDES MISTVIIIIEH!!!!!" kreischte er, als er mit letzter Kraft den Hirsch von sich stieß und sich aufzurichten versuchte, bis ein erneuter Hieb ihn mit dem Gesicht voraus ins blutgetränkte Moos stieß.
Weitere Schläge ließen die behaarten Beine wie Äste zersplittern.
Röchelnd und jaulend, die Klauen aufs Gesicht gedrückt, die gebrochenen Beine herangezogen, lag er da,als die Hiebe aussetzten und er zwischen den Klauen aufsah.
Vor ihm richtete sich die Gestalt auf und sah ihn herablassend an. Ruhe zierte das Antlitz des Hirsches, eine Erhabenheit, die dem Satyrn völlig fremd war. Nicht einmal Blessuren des Kampfes konnte er am weißen Fell entdecken, einzig sein eigenes dämonisches Blut war es, dass den Körper des Hirsches befleckte.
Qualvoll schrie der Satyr auf als sich der weiße Leib in Bewegung setzte, bereit es zuende zu bringen.
"Haaaalt! Warte!!" eine gebrochene Klaue schwang flehend in die Luft. "BITTE! Lass mich gehen! Ich werde deine Freunde in ruhe lassen! Keinen einzigen werde ich mehr quälen, nie mehr mit Harz füllen! keine Trophäen mehr! bitte! Ich schwöre eees!" Gurgelnd, presste er die Worte heraus und ungehindert floss das dunkle Blut aus seinen malträtierten Gliedern.
Während ein kühler Wind über die Lichtung strich und die Blätter der nahen Bäume tanzen lies, strömte Mondlicht durch die raschelnden Wipfel und erhellte das Fell des Hirsches wie einen Mantel aus reinem Licht. Jener hob seinen Kopf, sodass sein Geweih sich vor dem Mondenschein abzeichnete wie eine Krone. So verharrte er, der König des Waldes, und blickte voller Verachtung auf den kläglich verendenden Dämon.
Schließlich wendete er sich von dem gequältem Schluchzen des Satyrs ab, überließ ihn seiner Freude, die ihm zum Verhängnis wurde. Im vorbeigehen schenkte er dem Jungen Rehkitz einen traurigen Blick und schritt schließlich, erhobenen Hauptes zurück in die tiefen seines Waldes, dessen Gleichgewicht er wieder hergestellt hatte.
Geschrieben von Melathir